Ukrainische An-, Ein- und Aussichten

Raus aus dem Alltag!
Rein ins Abenteuerland!
Von Himmelfahrt bis Pfingstmontag hab ich genau 12 Tage. Mal schauen, was sie bringen.
Die Richtung ist grob abgesteckt: Karpaten. Und wenn dann noch Zeit bleibt, Rila- und Pirin-Gebirge.

Der angefahrene TKC 80 auf der Hinterhand soll mich über die Autobahn weit nach Osten tragen. Dafür wäre ein Neuer zu schade. Den nehme ich Huckepack mit.

An der Hohen Tatra fliege ich heute nur vorbei.

Aber den leckeren hiesigen Schafskäse lasse ich mir natürlich nicht entgehen!

Am Abend genieße ich die Freuden der Freien Welt in einer slowakischen Pension. Morgen früh erwartet mich die ukrainische Grenze: Ich bin gewarnt worden!
Na denn, vorerst stärke ich meinen Optimismus mit zwei gut gekühlten frischen slowakischen Bieren, bis die etwas mehr als tausend Tageskilometer mir in die Knochen kriechen und mich zum zeitigen Ins-Bettchen-Gehen überreden.

Die Grenzstation erwartet mich, als sei sie allein für mich gebaut worden. So früh am Morgen bin ich die einzige Kundschaft.
Die slowakischen Beamten nehmen ihre Sache genau. Eindringlich werde ich gefragt, ob ich auch keine Pistolen mitführe. „Hier wäre das nicht so schlimm“ erläutert man mir, „aber da drüben bei den ukrainischen Kollegen…“

Die ukrainischen Kollegen sind zwei junge Damen, eine in eleganter Uniform, die andere im sexy Kampfanzug. Beide ausgesprochen gut aussehend, dezent geschminkt und mit tadellos gepflegten Fingernägeln ( die aber kurz genug sind, um den effizienten Einsatz der Dienstwaffen nicht zu beeinträchtigen) nehmen sie meine Papiere entgegen und fordern mich auf, mein Gepäck auszubreiten. (Ich habe überlegt, ob ich mir von den beiden ein Erinnerungsfoto mitnehmen sollte, aber ich hab mich dann doch nicht getraut.)

Nachdem ich alles wieder einpacken durfte, kam ein Offizier und ließ mich nochmal alles auspacken. Dann beschlagnahmte er meine Durchfalltabletten aus der Not-Apotheke, sagte etwas von „Drogen“ und „Generalinspektor“ und verschwand.

Dann wurde ich in ein Büro geführt. Eine ältere Dame, die kein Wort Außerukrainisch sprach, ließ mich meinen Namen und meine Anschrift buchstabieren und starrte dabei wissend in meinen Reisepass in ihren Händen.

Zwischendurch immer wieder:
Warten.
Warten.
Warten.


Wie gesagt, ich war gewarnt. Also habe ich alles geduldig über mich ergehen lassen, ohne das entscheidende Dokument der EZB mit dem 20€- Aufdruck zu überantworten.
Nach einer Stunde erhielt ich neben meinen Papieren sogar meine „Drogen“ zurück und durfte weiterfahren.


Dichte maigrüne Laubwälder umfingen mich, filterten die Morgensonne und geleiteten mich durch hügeliges Grenzland.

Die Verkehrsdichte ist, sieht man einmal von den Kühen ab, nicht sehr hoch. In den Dörfern sind auffallend viele Kinder unterwegs.
Gehen die gerade alle zur Schule?

Fußwege gibt es nirgends. Auch nicht in den kleinen Städten, durch die ich komme.
Die Straßen sind hier nicht für Autos reserviert.
Auf dem Asphalt stehen schwatzend rauchende Männer, spielen Kinder Fußball, trotten Kühe, rumpeln Pferdefuhrwerke. Hunde und Hühner sind allgegenwärtig.
Wenn doch mal ein Auto kommt, fährt es im Slalom zwischen den häufigen Schlaglöchern und den anderen Verkehrsteilnehmern hindurch - es geht irgendwie ganz gut.
Nur eilig sollte man es nicht haben.

Die Straße führt entlang eines kleinen Flüsschens.
In jedem Dorf gibt es Furten.
Brücken? Wozu?

Bei einem Steh-Kaffe unterhalte ich mich mit einer Dame, die ihre Wald-und-Wiesenernte feilbietet: Lindenblüten, Pilze, Honig…

Als sie den Albanienaufkleber an meiner Alu-Kiste bemerkt, schlägt sie entsetzt die Hände vor’s Gesicht.
Bist du da gewesen? Da kann man doch nicht hinfahren.
Doch, kann man. Das ist problemlos.
Wie sind denn die Leute da.
Ganz normal. Wie du und ich.
Normalnuj Ludjei?
Sie schüttelt erstaunt und ein bisschen ungläubig den Kopf.
Dann erklärt sie mir, dass die Ukraine ein wunderschönes Land ist. Ich soll mir Zeit nehmen und alles genau angucken. Das verspreche ich ihr.

Zeit wird hier offensichtlich mit ganz anderen Maßstäben gemessen. Hier sitzen Männer im besten Alter den ganzen Tag neben einer Kuh am Straßenrand und verrichten so ihr Tagwerk...

Die Straße führt im großen Bogen um ein Bergmassiv herum. Hier rumpeln LKW über staubigen Asphalt mit badewannengroßen jahrealten Frostaufbrüchen. Das ist nicht das Wunschrevier für die Diva.
Fräulein Garmin raunt etwas von einer kleinen Nebenstraße quer durch die Berge. Okay, das sieht interessanter aus.

Und scheint auch gut befahrbar zu sein.

Zwischendrin verliert sich der Weg im kniehohen Gras. Taucht als Andeutung wieder auf und führt über einen kleinen Pass.
Für die Landschaft fällt mir nur ein Wort ein: Lieblich.